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Innovatives CMS in 40 Sprachen

TYPO3 Version 4

Innovatives CMS in 40 Sprachen

Seit kurzem ist die vierte Version des Open Source Content Management System TYPO3 auf dem Markt. Bei dieser Gelegenheit soll ein Blick auf die auch im deutschsprachigen Raum stark verbreitete Software und deren neue Funktionen geworfen werden.

n MARTIN VOLLENWEIDERHandelsübliche HTML-Programme wie Dreamweaver, GoLive, Frontpage etc. eignen sich für den Aufbau kleinerer Websites. Grössere Projekte sind hingegen mit diesen Produkten kaum zu realisieren. Der Aufwand für die Wartung der Seiten und ihrer häufig ändernden Navigationen ist sehr hoch und eine Mehrsprachigkeit nur aufwändig realisierbar. Für umfangreiche Websites drängt sich ein Content Management System (CMS) auf. Ein CMS ist ein Anwendungsprogramm, das gemeinschaftliche Erstellung und Bearbeitung von Text- und anderen Multimediadokumenten ermöglicht und organisiert. Die Inhalte auf der Website werden dynamisch aus einer Datenbank generiert. Die Auswahl an CMSs ist allerdings umfangreich, die Portalseite www.contentmanager.de listet mehr als 300 Produkte auf.

Anforderungen an ein CMS

Wie aus Pflichtenheften grösserer Unternehmungen ersichtlich ist, wer­den an ein CMS hohe Anforderungen gestellt:

  • Die Redaktoren müssen den Inhalt auch ohne Programmierkenntnisse warten können. Sie sollen zudem in der Lage sein, Bilder, Multimediaelemente oder Tabellen in Seiten einzubauen.
  • Eine Volltextsuche, die auch PDF-Dokumente einschliesst, muss zur Verfügung stehen.
  • Verschiedene Nutzerberechtigungen, zum Beispiel für Administratoren, Redaktoren und Übersetzer, sollen vergeben werden können.
  • Mehrsprachigkeit muss unterstützt sein.
  • Seiten oder einzelne Einträge müssen in Abhängigkeit eines Datums ein- oder ausgeblendet werden können.
  • Der Workflow zwischen verschiedenen Anwendern muss unterstützt sein.
  • Die verwendete Technologie muss erprobt und weit verbreitet sein.
  • Die Erweiterbarkeit durch Extensions oder Plug-ins muss gewährleistet sein.

Vorteile eines CMS

Ein CMS hat gegenüber einem klassischen HTML-Werkzeug viele Vorteile:

  • Navigation und Unternavigation werden automatisch an die Seitenstruktur angepasst. So können Seiten und Unterseiten eingefügt, entfernt oder umbenannt werden, ohne dass die Navigation manuell angepasst werden muss.
  • Grafische Navigationen, basierend auf einem Corporate Design, lassen sich automatisch erstellen. Die Grafiken werden im Hintergrund auf dem Webserver dynamisch erzeugt.
  • Die Pflege des Inhalts erfolgt über einen beliebigen Browser. Es braucht kein spezielles Programm und keine Lizenzen. Das hat den Vorteil, dass die Pflege der Seiten ortsunabhängig geschehen kann.

Die Nachteile eines CMS liegen in der Regel in der Komplexität und im Zeitaufwand bei der Entwicklung sowie der fast unüberschaubaren Auswahl an vorhandenen Lösungen.

TYPO3

In den letzten Jahren erfreute sich im deutschsprachigen Raum das auf PHP und der Datenbank MySQL basierende CMS TYPO3 immer grösserer Beliebtheit. Die ersten Versionen der Software wurden zwischen 1997 und 2000 vom Dänen Kasper Skårhøj entwickelt, der heute noch führend an der Entwicklung und der Erweiterung der Software beteiligt ist. Es gibt weltweit mehr als 100000 Installationen und 20000 Entwickler, welche Erweiterungen programmieren. Einige Stärken von TYPO3 sind:

  • Es fallen für Anwender und Programmierer keine Lizenzgebühren an.
  • TYPO3 hat eine grosse Entwicklergemeinde und eine breite Verbreitung. Da das Produkt in Europa entwickelt wurde, gibt es keine Schwierigkeiten mit den Zeichensätzen. Allein die Bedieneroberfläche liegt in mehr als 40 Sprachen vor.
  • Zahllose Tutorials, Bücher und Lernvideos sind erhältlich. Das Buchzentrum listet bereits 15 Bücher zu TYPO3 auf.
  • Viele Funktionen wie automatische Sitemaperstellung, indexierte Suchfunktion, Newsverwaltung und diverse Shoplösungen stehen kostenlos zur Verfügung.
  • Einfache Bilder (zum Beispiel für Trennlinien oder Hintergründe) können dynamisch auf dem Webserver erstellt werden, Fotos lassen sich einfach skalieren.
  • Die Herstellerunabhängigkeit ist dank den Open-Source-Technologien PHP und MySQL gewährleistet.

Funktionsweise von TYPO3

TYPO3 ist so aufgebaut, dass zuerst mit einem klassischen HTML-Programm eine Designvorlage erstellt wird. Die Formatierung erfolgt mit Hilfe der Cascading Style Sheets (CSS), der Seitenaufbau wird mit CSS-Definitionen, Ebenen oder Tabellen realisiert. Die Stellen, an welchen TYPO3 eine Navigation oder einen Inhalt einfügen soll, werden mit Platzhaltern speziell gekennzeichnet.

Im zweiten Schritt legt man in TYPO3 die Seitenstruktur an. Dabei handelt es sich um einen hierarchischen Aufbau der Website und nicht um eigentliche HTML-Seiten. Seitenstruktur und -inhalt werden automatisch in der Datenbank abgelegt.

Im letzten Schritt erfolgt mit der Konfigurationssprache Typoscript die Definition der Menüs oder der Einbau der Mehrsprachigkeit. Obwohl Typoscript keine Programmiersprache ist, gleicht die Syntax derjenigen von PHP oder Javascript. Der folgende Typoscriptcode ist zum Beispiel notwendig, um auf eine Designvorlage zuzugreifen:

page = PAGE

page.10 = TEMPLATE

page.10.template = FILE

page.10.template.file = fileadmin/template/designvorlage.htm

page.10.workOnSubpart=DOKUMENT

Die Begriffe in Grossbuchstaben stellen die eingebauten Objekte dar, Attribute werden nach dem Punktoperator eingegeben.

Wegen des Umfangs der Entwicklung und der Wartung einer Website werden die verschiedenen Aufgaben auf diverse Mitarbeiter verteilt: Der Webdesigner erstellt die Designvorlage mit HTML und CSS, der Entwickler baut mit Typoscript die Funktionalitäten und Menüs ein, der Administrator vergibt dieRechte, die Autoren erfassen den Inhalt und die Redaktoren geben diesen zur Veröffentlichung frei. In vielen kleineren Firmen sind aber Designer und Entwickler in einer Person vereint.

Neuerungen der Version 4

Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen von TYPO3 Version 4 vorgestellt. Weil die definitive Version beim Schreiben des Artikels noch nicht verfügbar war, wird es gegenüber der endgültigen Fassung sicher noch die eine oder andere Änderung geben. Im Grunde genommen sind bei der neuen Version viele bereits bestehende Erweiterungen verbessert und standardmässig in TYPO3 integriert worden.

Oberfläche

Wie bei neuen Versionen üblich, ist auch die Benutzeroberfläche modernisiert worden, Sie enthält mehr Weissraum und wirkt dadurch offener und weniger gedrängt. Die Funktion der Icons ist klarer, und endlich sind diese in einer erkennbaren Grösse dargestellt.

TemplaVoilà

Diese Erweiterung, welche schon seit geraumer Zeit als Betaversion vorliegt, gehört nun zum Lieferumfang von Version 4. Im Wesentlichen wird das Zusammenspiel zwischen dem CMS und der Designvorlage vereinfacht. Es ist nicht mehr notwendig, Platzhalter im HTML-Code zu setzen. Der Entwickler hat jetzt die Möglichkeit, direkt in einem WYSIWYG-Mode auf die Vorlage zuzugreifen und die Bereiche für die Navigation oder den Inhalt zu definieren.

TemplaVoilà besteht aus der Datenstruktur und dem Templateobjekt. Die Datenstruktur legt den Aufbau der Designvorlage fest. In unserem Beispiel gibt es den Bereich ROOT, welcher sich wie ein Container verhält. Er kann wieder andere Elemente (Inhalt und Navigation) beinhalten. Die Datenstruktur wird intern als XML-Datei abgelegt. Das Templateobjekt verknüpft die Designvorlage mit der Datenstruktur. Dieser Aufbau bietet den Vorteil, dass die Navigation zum Beispiel an einer anderen Stelle platziert werden kann, ohne dass die De­signvorlage angepasst werden muss.

Versioning und Workspaces

Das Versioning erlaubt es, ganze Seitenbäume, einzelne Seiten oder Teile einer Seite in verschiedenen Versionen zu verwalten. Jede Version eines Datensatzes ist einem «Workspace» zugewiesen, welcher als eigener Seitenbaum dargestellt werden kann. Der Live-Workspace gibt die veröffentlichte Seite an, der Draft-Workspace eine Seite in der Entwicklungsphase. Wenn im Draft-Modus eine Änderung vorgenommen und gespeichert wird, erstellt TYPO3 eine neue Version des Datensatzes. Um diesen zu veröffentlichen, stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Der Befehl «Swap» tauscht den Live- und den Draft-Modus. Der Befehl «Publish» wandelt den Draft- in den Live-Workspace um und archiviert diesen.

Digital Asset Management

Die Idee des Digital Asset Management (DAM) ist, externe Dateien (wie Bilder oder Multimediadateien) nicht nur in beliebigen Verzeichnissen zu speichern, sondern zusätzlich Kategorien zuzuordnen. Diese lassen sich in TYPO3 erstellen und auch mit Unterkategorien versehen.

TYPO Extension Repository

TYPO3 besteht aus der Kernsoftware und vielen Erweiterungen, den Extensions. Je nach Installationspaket der Software werden etliche der über 1400 Extensions gleich mitinstalliert.

Die in einer Datenbank gespeicherten Extensions haben eine Grösse von gegen 2 Gigabyte. Um einen zuverlässigen Zugriff auf diese Datenbank zu gewährleisten, wurde zusammen mit der Version 4 das TYPO Extension Repository (TER) neu programmiert. Die Übertragung der Erweiterungen von TYPO3 zum TER wird über das SOAP-Protokoll (Simple Object Access Protocol) abgewickelt. SOAP ist ein plattformunabhängiges Protokoll, welches mit Hilfe von XML und Internetprotokollen Daten zwischen verschiedenen Rechnern austauschen kann.

Der Hauptvorteil des neu programmierten TER liegt in der schnelleren Verarbeitung, in der Bereitstellung der verfügbaren Erweiterungen und der Möglichkeit, die Daten auf anderen Servern zu spiegeln.

Database Abstraction Layers und PHP 5

In früheren Versionen konnte TYPO3 nur mit der Open-Source-Datenbank MySQL eingesetzt werden. In der neuen Version liegt die Database Abstraction Layer Extension (DBAL) vor, mit welcher auch auf andere relationale Datenbanksysteme wie Oracle, Microsoft SQL-Server und PostgreSQL zugegriffen werden kann. Die Abstraktionsebene ist losgelöst von Hardware, anderen Programmen oder Laufwerksbezeichnungen. Durch diese Abstraktion muss der interne Aufbau der verwendeten Datenbank nicht bekannt sein.

Natürlich ist jetzt TYPO3 kompatibel mit PHP 5.

Workflow

Ein Workflow ist die Aufteilung einer Aufgabe oder Aktivität in einzelne Arbeitsschritte, die von einem oder mehreren Anwendern durchgeführt werden. Meist haben die Personen verschiedene Benutzerrechte. Im Wesentlichen geht es immer um die Frage, wer was wann und wie zu erledigen hat. In TYPO3 lassen sich mit Hilfe der ergänzten Erweiterung «Native Workflow System» ganz verschiedene Workflows mit den entsprechenden Aufgaben für die Anwender definieren.

Weitere Verbesserungen

Bei der neuen Version wird standardmässig ein HTML-Editor mitgeliefert, welcher nicht nur vom Internet Explorer, sondern auch von Firefox unterstützt wird. Mit Hilfe der Konfigurationssprache lassen sich die nicht benötigten Icons und Befehle ausblenden und dafür die in der Designvorlage verwendeten CSS-Stile darstellen.

Dank der neuen Version des statischen Templates «CSS styled content» wird TYPO3 endlich auch kompatibel mit XHTML 1.1. In früheren Versionen erfolgte die Umsetzung hauptsächlich mit Tabellen und dem Font-Tag, die neue Version arbeitet mit sauberen CSS-Definitionen. Allerdings sind auch bei der neuesten Version des statischen Templates noch weitere Entwicklungsarbeiten notwendig, um die volle Kompatibilität mit XML zu gewährleisten und in jedem Falle auf das Platzieren mit Tabellen zu verzichten.

Zukunftsaussichten

Die Entwicklungspläne sind ambitiös. Noch in diesem Jahr soll Version 4.5 mit einer verbesserten Benutzeroberfläche erscheinen. Version 5, welche (theoretisch) auch noch in diesem Jahr fertig gestellt sein sollte, wird SOAP- und WebDAV-Unterstützung (Web-based Distributed Authoring and Versioning, ein offener Standard zur Bereitstellung von Dateien im Internet) bieten.

Fazit

Version 4 beinhaltet zahlreiche Neuerungen, vor allem weil bestehende Extensions verbessert und in die Standardinstallation integriert wurden. Trotzdem bleiben einige Wünsche offen:

  • Die Benutzeroberfläche liesse sich durch klarere Struktur und eindeutigere Icons verbessern. Die Hilfefunktion müsste verbessert und durch Links auf das Internet ergänzt werden.
  • Der Editor, in welchem die Typoscriptbefehle eingegeben werden, entspricht einem veralteten Stand der Technik. Heute wird in einer Programmierumgebung erwartet, dass zum Beispiel Objekte und Eigenschaften farbig hervorgehoben werden und eine eingebaute Kurzreferenz zur Verfügung steht.
  • Es wäre wünschenswert, mehr Assis­tenten zur Verfügung zu haben. Es ist nicht einzusehen, warum zum Beispiel die Befehle für die Navigation mühsam eingetippt werden müssen. Ein Assistent, in welchem beispielsweise Hierarchiestufen, Schriftgrössen und Farben in einem Dialogfenster ausgewählt werden können, wäre kein Luxus.

Trotz diesen Nachteilen ist TYPO3 ein starkes, sehr empfehlenswertes CMS. Beeindruckend ist die grosse Zahl der verfügbaren Erweiterungen. Mit den Extensions lassen sich auch die Anforderungen eines anspruchsvollen Pflichtenhefts erfüllen. Dank den vielen Hilfen im Internet bleiben praktisch keine Fragen offen.